Zechensiedlung Hervest

Aus Wikipedia zur Industriegeschichte Dorsten

(Unterschied zwischen Versionen)
Wechseln zu: Navigation, Suche
Zeile 25: Zeile 25:
Nachdem der Bauausschuss der Gemeinde Hervest in der Sitzung am 26. August 1913 die Errichtung einer „Arbeiterkolonie im großen und ganzen guthieß“, begann das Bergwerk im Oktober 1913 mit den ersten Bauarbeiten. Vorab hatte man bereits (vor der Erstellung eines Gesamtkonzepts der Siedlung) an der Halterner Straße sogenannte "Beamtenhäuser" bzw. "Steigerhäuser" gebaut. Bedingt durch die Ereignisse des [http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg ersten Weltkrieges] kamen die Arbeiten jedoch zeitweise zum Erliegen. Nach dem Krieg wurden die Bauarbeiten fortgesetzt und in den 1920er Jahren, wenngleich auch mit einer schlichteren Ausprägung der gestaltgebenden Elemente, beendet.  
Nachdem der Bauausschuss der Gemeinde Hervest in der Sitzung am 26. August 1913 die Errichtung einer „Arbeiterkolonie im großen und ganzen guthieß“, begann das Bergwerk im Oktober 1913 mit den ersten Bauarbeiten. Vorab hatte man bereits (vor der Erstellung eines Gesamtkonzepts der Siedlung) an der Halterner Straße sogenannte "Beamtenhäuser" bzw. "Steigerhäuser" gebaut. Bedingt durch die Ereignisse des [http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Weltkrieg ersten Weltkrieges] kamen die Arbeiten jedoch zeitweise zum Erliegen. Nach dem Krieg wurden die Bauarbeiten fortgesetzt und in den 1920er Jahren, wenngleich auch mit einer schlichteren Ausprägung der gestaltgebenden Elemente, beendet.  
-
Bemerkenswert aus heutiger Sicht, die Siedlung einschließlich der heute öffentlichen Bereiche (Straßen, Wege, Plätze) befand sich gänzlich im Besitz der Zeche. Erst 1970 übertug die Hoesch AG die öffentlichen Anlagen der Stadt Dorsten. Wegen des schlechten Zustands der Straßen einigten sich dabei die Vertragsparteien darauf, dass die Hoesch AG der Stadt Dorsten im Zuge der Eigentumsübertragung 300.000 DM zahlt, um damit die Infrarstruktur in einen ortsüblichen Bauzustand versetzen zu können. Während der Bauherr am Brunnenplatz zur Deckung des täglichen Bedarfs der Bewohner Läden errichtete, gab es innerhalb der Ansiedlung aber keine Flächen, die die Gemeinde und die Kirchen für ihre bauten hätten nutzen können. So befinden sich auch heute noch Schulen, Kirchen, Kindergärten und andere öffentliche Einrichtungen außerhalb der Siedlung.
+
Bemerkenswert aus heutiger Sicht, die Siedlung einschließlich der heute öffentlichen Bereiche (Straßen, Wege, Plätze) befand sich gänzlich im Besitz der Zeche. Erst 1970 übertug die Hoesch AG die öffentlichen Anlagen der Stadt Dorsten. Wegen des schlechten Zustands der Straßen einigten sich dabei die Vertragsparteien darauf, dass die Hoesch AG der Stadt Dorsten im Zuge der Eigentumsübertragung 300.000 DM zahlt, um damit die Infrarstruktur in einen ortsüblichen Bauzustand versetzen zu können. Während der Bauherr am Brunnenplatz zur Deckung des täglichen Bedarfs der Bewohner Läden errichtete, gab es innerhalb der Ansiedlung aber keine Flächen, die die Gemeinde und die Kirchen für ihre Bauten hätten nutzen können. So befinden sich auch heute noch Schulen, Kirchen, Kindergärten und andere öffentliche Einrichtungen außerhalb der Siedlung.
Das Wohnquartier zeichnet sich durch viele kleine Plätze aus. Eine Vielzahl unterschiedlich großer Wohnungen verschiedener Grundrisse, mal mit Klinker-, mal mit Putzfassade vermitteln den Eindruck einer lockeren Bebauung. Die Wohnbauten der ersten Baustufe sind mit historisierenden Gestaltungselementen versehen, während die nach dem Krieg errichteten Häuser eher schlichter gestaltet wurden, ohne dass dadurch der Eindruck einer baulichen Einheit der Siedlung besonders beeinträchtigt wurde.
Das Wohnquartier zeichnet sich durch viele kleine Plätze aus. Eine Vielzahl unterschiedlich großer Wohnungen verschiedener Grundrisse, mal mit Klinker-, mal mit Putzfassade vermitteln den Eindruck einer lockeren Bebauung. Die Wohnbauten der ersten Baustufe sind mit historisierenden Gestaltungselementen versehen, während die nach dem Krieg errichteten Häuser eher schlichter gestaltet wurden, ohne dass dadurch der Eindruck einer baulichen Einheit der Siedlung besonders beeinträchtigt wurde.

Version vom 17:34, 19. Aug. 2012

Entwicklung

Datei:Planung_1913.gif Planung 1913



Historische Karte mit Siedlung Fürst Leopold.
Zechenhäuser Fürst Leopold, um 1928, Quelle: Archiv Walter Biermann, Dorsten.
Typ Doppelhaus, Straßenansicht, Planung 1913.
Typ Doppelhaus, Straßenansicht, Foto 2012.
Typ Doppelhaus, Erdgeschoss, Planung 1913.
Typ Doppelhaus, Obergeschoss, Planung 1913.

In der Gründerzeit und bis in die Anfänge des 20. Jahrhundert war es üblich, dass große Industrieunternehmen Siedlungen für ihre Mitarbeiter errichteten und von diesen vergleichsweise niedrige Mieten verlangten. Dieses Verhalten war sozialpolitisch vorbildlich und stärkte zudem die Bindung der Bergleute zu "ihrer" Zeche.

Um ausreichenden Wohnraum für die auf Fürst Leopold anzuwerbenden Bergleute bereitstellen zu können, errichtete die Zeche südlich der Halterner Straße eine Arbeitersiedlung. Dieses Areal war aus Sicht der Gemeinden Hervest, Holsterhausen und Dorsten weit genug von ihren Siedlungen entfernt, so dass keine Konflikte durch das Zusammenleben mit den zugezogenen Arbeitern aus fremden Regionen und Ländern befürchtet werden musste. "Die neuen Bewohner befanden sich zunächst in einer Art Ghettosituation gegenüber den Menschen des gewachsenen Dorfes Hervest und der Stadt Dorsten"[1]. Dieser Zustand änderte sich allmählich, wenngleich Vorbehalte von Bürgern aus dem Dorf Hervest und der Stadt Dorsten gegenüber den "Siedlern" und umgekehrt noch jahrzehntelang bestanden.

Den Auftrag, die „Fürst Leopold – Siedlung“ zu bauen, erhielt 1911 der damals bereits sehr beachtete Architekt H.W. Eggeling. Dem Stil der Zeit entsprechend schlug Eggeling eine städtebauliche Realisierung im Gartenstadtstil vor. Eggeling war bekannt dafür, weniger stark verdichtete Siedlungen für Arbeiter in qualitätsvoller Architektur herzustellen.

Eine offene und durchgrünte Bebauung der Gartenstädte war das Ziel von Ebenezer Howard, dem Erfinder der Gartenstädte. In Deutschland wurde die Idee des englischen Stadtplaners Anfang des 20. Jahrhunderts aufgegriffen und adaptiert. Im wesentlichen übernahm man die Idee, Stadtteile von Grund auf zu planen und zu bauen, statt die Stadtränder der großen Industriestädte ungeordnet durch den Bau von "Mietshäusern" zu erweitern. Aus sozialer Sicht war beabsichtigt, den negativen Auswirkungen der sogenannten Proletarisierung entgegenzuwirken. Die Arbeiter sollten die Gelegenheit haben, sich ohne wirtschaftliche Not nach der körperlich anstrengenden Arbeit unter gesunden Bedingungen zu erholen. Kennzeichnend für die Gartenstädte zu jener Zeit waren starke Durchgrünungen, geschwungene Straßenführungen und für die Bewohner die Ermöglichung einer gewissen Selbstversorgung mit Gemüse, Obst und Fleisch.

1912 begann man das 25 ha große, leicht hügelige, mit Heide und Birken bewachsene Gelände einzuebenen und für die Bebauung vorzubereiten.


Nachdem der Bauausschuss der Gemeinde Hervest in der Sitzung am 26. August 1913 die Errichtung einer „Arbeiterkolonie im großen und ganzen guthieß“, begann das Bergwerk im Oktober 1913 mit den ersten Bauarbeiten. Vorab hatte man bereits (vor der Erstellung eines Gesamtkonzepts der Siedlung) an der Halterner Straße sogenannte "Beamtenhäuser" bzw. "Steigerhäuser" gebaut. Bedingt durch die Ereignisse des ersten Weltkrieges kamen die Arbeiten jedoch zeitweise zum Erliegen. Nach dem Krieg wurden die Bauarbeiten fortgesetzt und in den 1920er Jahren, wenngleich auch mit einer schlichteren Ausprägung der gestaltgebenden Elemente, beendet.

Bemerkenswert aus heutiger Sicht, die Siedlung einschließlich der heute öffentlichen Bereiche (Straßen, Wege, Plätze) befand sich gänzlich im Besitz der Zeche. Erst 1970 übertug die Hoesch AG die öffentlichen Anlagen der Stadt Dorsten. Wegen des schlechten Zustands der Straßen einigten sich dabei die Vertragsparteien darauf, dass die Hoesch AG der Stadt Dorsten im Zuge der Eigentumsübertragung 300.000 DM zahlt, um damit die Infrarstruktur in einen ortsüblichen Bauzustand versetzen zu können. Während der Bauherr am Brunnenplatz zur Deckung des täglichen Bedarfs der Bewohner Läden errichtete, gab es innerhalb der Ansiedlung aber keine Flächen, die die Gemeinde und die Kirchen für ihre Bauten hätten nutzen können. So befinden sich auch heute noch Schulen, Kirchen, Kindergärten und andere öffentliche Einrichtungen außerhalb der Siedlung.

Das Wohnquartier zeichnet sich durch viele kleine Plätze aus. Eine Vielzahl unterschiedlich großer Wohnungen verschiedener Grundrisse, mal mit Klinker-, mal mit Putzfassade vermitteln den Eindruck einer lockeren Bebauung. Die Wohnbauten der ersten Baustufe sind mit historisierenden Gestaltungselementen versehen, während die nach dem Krieg errichteten Häuser eher schlichter gestaltet wurden, ohne dass dadurch der Eindruck einer baulichen Einheit der Siedlung besonders beeinträchtigt wurde.

Auf insgesamt 23 Grundtypen lassen sich die Wohnungen in der Zechensiedlung zurückführen[1]. Nach Adolf Spaltmann [2] bestand das Wohnquartier in den 1920er Jahren aus:

  •   84  2-räumigen Wohnungen
  • 267  3-räumigen Wohnungen
  • 331  4-räumigen Wohnungen
  • 132  5-räumigen Wohnungen
  •  37  6-räumigen Wohnungen und
  •  14  Wohnungen mit mehr als 6 Räumen.

Für die damalige Zeit war die Anordnung der Aborte innerhalb statt außerhalb der Häuser fortschrittlich. Die Grundstücke ermöglichten die Haltung von Kleintieren (Schafe, Ziegen, Schweine, Geflügel), wobei die Ställe meist in das Haus integriert waren. Die Gärten dienten in erster Linie dem Anbau von Gemüse und Beerenobst. Für die Erzeugung von Grundnahrungsmitteln, wie z.B. Kartoffeln und für den Anbau von Viehfutter waren die Gärten zu klein (100 - 300 m²). Viele Bewohner pachteten daher zusätzlich kleinere Parzellen außerhalb der Siedlung, um so ihre Lebenshaltungskosten senken zu können. Die Arbeit im Garten war hauptsächlich Aufgabe der Frau und z.T. der Kinder.





Quellen

  1. 1,0 1,1 Manfred Ludes: Zechensiedlung Hervest-Dorsten - Modernisierungs- und Gestaltungshandbuch, Hrsg: Stadt Dorsten - Planungsamt.
  2. Adolf Spaltmann: Wohnsiedlung der Zeche "Fürst Leopold in Hervest", In: Heimatkalender der Herrlichkeit Lembeck 1930, S. 64-67.
Persönliche Werkzeuge